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Gedanken im Unterstand

Event ID: 585

10 April 1918

49.85756187546701, 2.672383788012204
Harbonnières

Source ID: 22

Der rote Kampfflieger von Rittmeister Manfred Freiherrn von Richthofen, 1933, Eingeleitet und ergänzt von Bolko Freiherr von Richthofen, mit einem Vorwort von Generalfeldmarschall Hermann Göring, Verlag Ullstein & Co, Berlin

In meinem Unterstand hängt an der Decker eine Lampe, die ich mir aus einem Flugzeugmotor habe basteln lassen. Er stammt aus einem Flugzeug, das ich abgeschossen habe. In die Zylinder hinein habe ich Lampen montiert, und wenn ich nachts wach liege und das Licht brennen lasse, so sieht dieser Kronleuchter an der Decke weiß Gott phantastisch und unheimlich genug aus. Ich habe, wenn ich so liege, an vieles zu denken. Ich schreibe es nieder, ohne daß ich weiß, ob jemand außer meinem nächsten Angehörigen diese Niederschrift jemals zu lesen bekommt. Ich gehe mit dem Gedanken um, dem “roten Kammpfflieger”  eine Fortsetzung zu geben, und zwar aus einem ganz bestimmten Grunde. Jetzt ist der Kampf, der sich an allen Fronten abspielt, ganz verteufelt ernst geworden, es ist nichts mehr übriggeblieben von diesem “frischen, fröhlichen Krieg”, wie man unsere Tätigkeit anfangs genannt hat. Jetzt müssen wir uns überall auf das verzweifelste wehren, damit die Feinde nicht in unser Land hineinbrechen. Ich habe nun so den dunklen Eindruck, als ob aus dem “Roten Kampfflieger” den Leuten ein ganz anderer Richthofen entgegenleuchtet – als mir selbst zumute ist. Wenn ich in dem Buch lese, grinse ich mich selbst schnodderig an. Jetzt ist mir gar nicht mehr schnodderig zumute. Nicht etwa deshalb, weil ich mir vorstelle, wie das ist, wenn sich mir eines Tages der Tod in den Nacken setzt, deshalb sicher nicht, obgleich ich oft genug daran erinnert werde, daß das einmal so kommen kann. Von höchster Stelle hat man mir sagen lassen, ich solle es jetzt aufgeben, selber zu fliegen, denn einmal würde es mich doch erwischen. Ich würde mir aber sehr elend vorkommen, wenn ich jetzt, behaftet mit Ruhm und Orden, als Pensionär meiner Würde dahinleben würde, um mein kostbares Leben der Nation zu erhalten, während jeder arme kerl im Schützengraben, der seine Pflicht genau so tut wie ich, ausharrt.

Mir ist nach jedem Luftkampf erbärmlich zumute, Das kommt aber wohl von den nachwirkungen meines Kopfschusses. Wenn ich meinem Fuß auf dem Flugplatz wieder  auf den Boden gesetzt habe, dann mache ich, daß ich in meine vier Wände komme, will niemanden sehen und von nichts hören. Ich glaube, so ist es wirklich, es ist nicht so, wie die Leute in der Heimat sich das vorstellen, mit Hurra und Gebrüll, es ist alles viel ernster, verbissener.

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