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nicht in der Türkei

Event ID: 370

05 June 1917

50.84890767354939, 16.476310886960174
Władysława Sikorskiego 19, 58-105 Świdnica, Polen
Swidnica
Schweidnitz

Source ID: 10

Die Erinnerungen der Mutter des roten Kampffliegers Kunigunde Freifrau von Richthofen. Im Verlag Ullstein - Berlin, 1937.

Gewissenermaßen als sein Vorläufer traf sein Bursche, der gute Menzke, am frühen Morgen um sechs Uhr hier ein. Auf meine erstaunte Frage, warum er jetzt schon zurückkomme, meinte er: “Es hat uns nicht gefallen bei die Österreicher.” Über diese kategorische Ablehnung belustigt, forschte ich weiter und erfuhr, daß Zigaretten- und Gepäckschwierigkeiten den Braven zu dieser Einschätzung veranlaßt hatten. Anders liegt wohl die Sache bei Manfred; es ist für ihn immer schwerer geworden, sich von der Front und seiner Staffel zu trennen, er hat Heimweh danach. Ich könnte mir denken, daß die immer stärker auftretenden Meldungen von der zahlenmäßigen englischen Übermacht in der Luft Manfred in seinem Verantwortungsgefühl gepackt haben und der eigentliche Anlaß waren, weshalb er die erholsame und interessante Türkenreise schon in Wien unterbrach. Er würde sich nie Ruhe gönnen, solange noch die deutschen Stellungen von feindlichen Fluggeschwadern überschattet waren. Während Menzke sich in der Küche ein umfangreiches Frühstück einverleibte, erzählte er den Mädchen, die sich immer gern von ihm unterhalten lassen, Geschichten von der Front und von seinem Rittmeister. Die beiden hatten wohl viel zusammen erlebt, auch manche Jagdabenteur bestanden, in mondhellen Nächten auf den Keiler angesessen, im Feindesland, im Winterwald. Ein schwarzer Bolzen kam aus der Dickung geschossen – Feuerstrahl und Knall – der Schnee stäubte von den Bäumen, den Schwarzen warf die Kugel polternd in die Büsche. “Der Rittmeister schießt niemals fehl, das gibt’s ja gar nicht, oho”, sagt Menzke und schlägt zur Bekräftigung mit dem Messerrücken auf den Tellerrand. “Das ist der reinste Kunstschütze.” Und dann erzählt er mit einer Lebhaftigkeit, die bei siener schweren bäuerlichen Art eine Seltenheit ist, wie er im Ruhequartier einmal ein Dutzend Flaschen an der Parkmauer auf Stöcke spießen mußte, die der Rittmeister dann in schneller Feurfolge mit der Pistole hintereinander erledigte, auf dreißig bis vierzig Meter, ohne eine einzige Flasche zu fehlen. “So einen Rittmeister wie meinem gibt’s überhaupt nicht wieder”, bekräftigt Menzke noch einmal. “Er trinkt nicht, er raucht nicht. Zumir hat er einmal gesagt: “Menzke, laß das viele Rauchen sein, du wirst bloß alt und knickbeinig davon.” Und recht hat er je eigentlich, nicht wahr?” Den Mädels schienen diese Mitteilungen wenig interessant, sie möchten etwas von aufregenden Luftkämpfen hören; aber Menzke läßt sich niemals aus der einmal eingeschlagenen Richtung bringen. “Wissen Sie”, sagte er kauend, “früher, als wir noch in Rußland waren, da war es doch schöner, mit den Patrouillen und so. Bloß das Wasserschleppen, das hat mir nicht gefallen.” – Wieso, fragen die kichernden Stimmen. – Menzke: “Der Rittmeister will doch immer baden, mindenstens am Tag einmal, das ist doch schädlich, nicht wahr? In Rußland war ja wohl nur wenig Wasser; erst lagen wir an einem See, aber dann kamen wir in eine richtige Einöde, alles Sand. Da machten wir uns selbst eine Badeanstalt. Ganz einfach: Ein Dreibock, oben eine Tonne drin mit einem Loch im Fußboden und darunter eine durchlöcherte Konservenbüchse genagelt. Eine Klappe mit einer Kordel daran – und die russische Brause war fertig. Bloß einmal, da hatte ich Moorwasser eingefühllt und der Leutnant, der nackicht unter der Dusche stand, sah nachher aus wie mit Schokolade begossen. Da gab’s dann vielleicht eine Kleinigkeit Zunder.” “Na ja, aber sonst…” Menzke will mit dieser versöhnenden Außerung andeuten, daß er mit seinem Rittmeister durchaus zufrieden ist. Komisch nur, daß er so wenig Schlaf braucht. Er, Menzke, hält nichts von einer solchen Lebensweise. Er würde sich gern nach einer anstrengenden Nacht auf dem Hochsitz oder im Flugzeug ein paar gehörige Stunden hinhauen, aber wenn er das Bett hübsch und einladend aufgedeckt hat, sagt der Rittmeister nur; “Menzke, mach die Klappe zu, ich bin gar nicht müde.” “Aber sonst…wie gesagt..Viel Spaß haben wir ja auch mit dem Hund, unserem Fliegerhund, dem Moritz. Wir haben ihn noch aus Ostende. Als er klein war, schlief er bei dem Rittmeister im Bett, aber spâter ging das ja nicht mehr, da war er wie so ein mittleres Kalb. Und klug ist der, ich sage Ihnen…Wenn fremde Herren zu uns auf den Flugplatz kommen, legt er von hinten die Tatzen auf ihre Schultern und nimmt ihnen die Mütze ab. Da gibt’s immer was zum Lachen. Überhaupt glauben Sie man ja nicht, daß wir im Feld wie die Trauerklötze leben, das gibt’s gar nicht. Der Rittmeister kann verdammt lustig sein. Mal war so einer mit dem Pinsel bei uns, der wollte den Rittmeister abmalen; der hatte aber gar keine Lust, weil ihn doch schon ein berühmter Professor gemalen hatte. Na ja, und – was soll ich Ihnen sagen – der Malersmann war so furchtbar ängstlich. Immer wenn es mal ein bißchen knallte, kroch er ins Mauseloch. Da haben sich denn die Herren Offiziere einen Spaß erlaubt. Da haben sie vor seinem Häuschen eine Knallrakete abgebrannt und gerufen: ‘Alarm! Alarm!’ Schwupp, kam der Eimer kaltes Wasser im Genick. Haha…Ich glaube, das war der lustige Leutnant Wolff, der hat immer solche Streiche im Sinn.” In dieser Tonart erzählte der sonst so schweigsame Menzke und ist ganz redselig dabei geworden.

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