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Gedächtnisrede von Herrn Dr. Bülow

Event ID: 667

05 May 1918

50.84612564602929, 16.49278319704114
Aula des Gymnasiums
Swidnica
Schweidnitz

Source ID: 55

Ein Heldenleben, Ullstein & Co, 1920

Gedächtnisrede von Herrn Studienrat Dr. Bülow bei der Trauerfeier im Gymnasium zu Schweidnitz

Hochverehrte Anwesende!
Eine gewaltig große, vielleicht die größte, aber auch eine der schwersten Zeiten der Geschichte unseres Volkes ist die, in der wir jetzt stehen, eine Zeit, in der das Schwert, von dem Jesus von Nazareth zu Maria, seiner Mutter, sprach, durch die Herzen von Tausenden und aber  Tausenden deutscher Mütter hindurchdrang, und in der ein Meer von Tränen aus den Augen der Gattinnen, Bräute, Schwestern, Väter, Brüder und Freunde unserer gefallenen Helden geflossen ist. In dieser tiefernsten Zeit haben wir uns heute hier in der Aula unseres altehrwürdigen Gymnasiums zu einer würdigen, weihevollen, uns alle im Innersten tiefergreifenden Gedächtnisfeier versammelt. Und unsere weihe- und wehmutsvolle Stimmung wird noch gesteigert durch den Gedanken daran, daß der, dem die heutige Trauergedenkfeier gilt, unser gefallener  Fliegerheld und König im Reich der Lüfte, Rittmeister von Richthofen, ist, der vor siebzehn Jahren als kleiner, fröhlicher Sextaner oft in diesem Saale weilte. Und wenn er ihr auch nur ein Jahr angehörte, ehe er als Kadett nach Wahlstatt auf die Offizierbildungsanstalt ging, von der er dann ins Heer trat, so wird doch unsere altberühmte Gelehrtenschule stets seiner gedenken; sie gräbt mit Stolz und Wehmut seinen Namen als den eines der besten ihrer Söhne in ihre Annalen ein neben den vielen Namen tüchtiger und bedeutender Männer, die aus ihr hervorgingen. Auch der Dichter der soeben vorgetragenen Verse, Dr. Glaser, gehört zu diesen früheren Schülern. Und wenn er auch hier in Schweidnitz nicht geboren wurde, so sieht doch unsere alte Balkonenstadt in Manfred von Richthofen eines ihrer Kinder, wie er selbst in seinem bekannten Buche „Der rote Kampfflieger“ angibt. Und in seiner Beileidskundgebung an die Mutter des Helden nennt der hiesige Magistrat ausdrücklich an zwei Stellen Schweidnitz des großen Fliegers Heimatstadt, die sich eine besondere Ehrung zum Andenken an den teuren Toten vorbehalte.

Und in der Tat war er hier eigentlich zu Hause; hier steht sein Vaterhaus, in dem er wiederholt und gern zu Besuch weilte. Welche Huldigungen und Ehrungen wurden ihm von unserer Bürgerschaft zuteil, als er im vorigen Jahre auf seinem weltberühmten roten Flugzeug hierher geflogen kam! Wie hat ihm besonders unsere Jugend zugejubelt, die zu ihm mit glühender Begeisterung und Bewunderung aufblickte. Und wenn fortan unsere lieben Schüler die Sage von Achilles vernehmen, dem herrlichen Lieblingsheros der alten Hellenen, der ein kurzes,  ruhmvolles Leben einem langen, tatenlosen Dasein vorzog, oder wenn sie dem Sang von Siegfried, dem strahlenden Germanenheden, lauschen, der in der Blüte der Jugend und Schönheit dem Mordstahl erlag, dann steigt vor ihrem Geiste als dritte Lichtgestalt unser heimatlicher Fliegerheros, unser Manfred von Richthofen, auf! Achilles und Siegfried, beiden gleicht er in seiner kurzen, aber glänzenden Heldenlaufbahn. Heute vor vierzehn Tagen, am Sonntag Jubilate, entraffte ihn der tückische, erbarmungslose Schlachtentod, und vor drei Tagen, am 2. Mai, hätte er erst den Kreislauf von sechsundzwanzig Lebensjahren vollendet. End Ende Mai erst werden drei Jahre vergangen sein, seitdem der damalige Ulanenleutnant in die Fliegertruppe eintrat. Und in dieser kurzen Spanne von zwei Jahren elf Monaten hat er Erfolg an Erfolg gereiht und sich zum ersten und populärsten Fliegerhelden Deutschlands, ja zum ersten Flieger der Welt emporgeschwungen, dessen Brust die höchsten Ordensauszeichnungen schmückten. Der Kommandeur der Luftstreitkräfte, General von Hoeppner, nennt ihn in seiner Beileidsdrahtung „den Besten, den Führer der Jagdflieger“. Hindenburg sagt von ihm: „Als Meister der deutschen Fliegerwaffe, als Vorbild für jeden deutschen Mann, wird er im Gedächtnis des deutschen Volkes fortleben“, und Ludendorff nennt ihn „die Verkörperung deutschen Angriffsgeistes“. Mit Bewunderung, aber auch mit Bangen hat ganz Deutschland, haben insbesondere wir hier in Schweidnitz seine tatenfrohe und erfolgreiche Heldenlaufbahn verfolgt. Den Gefühlen, die uns alle beseelten, hat am besten unsere Kaiserin in ihrer Beileidsdrahtung an die Eltern Ausdruck verliehen, wenn sie sagt: „So oftmals bei jeder Nachricht von einem Siege Ihres Sohnes habe ich um sein Leben gezittert, welches er dem König und Vaterland geweiht hatte.“ Achtzigmal war er Sieger im Luftkampf, auf diesem schwierigsten und gefährlichsten Schlachtgefilde, und überstrahlt so bei weitem die beiden größten und berühmtesten deutschen Kampfflieger vor ihm, Boelcke und Immelmann! Wohl hätte er, nachdem er beide übertroffen und unbestritten an der Spitze der deutschen Kampfflieger stand, sich mehr zurückhalten und schonen können.
Niemand hätte ihm das verargt, ja viele, vielleicht wir alle hier, hofften und wünschten es, zumal von unseren unedlen Feinden wiederholt hohe Preise auf seinen Kopf gesetzt worden waren. Aber sein rastloser Tatendrang und sein unbeugsamer Heldenmut ließen dies nicht zu. Nicht war es eitle Ruhmsucht, die ihn trieb, sondern jenes unwandelbare, schlichte, selbstverständliche Pflichtgefühl, das in der Brust aller großen Männer Preußens gelebt und gewirkt hat, und dem Preußen und Deutschland vornehmlich ihre jetzige Größe verdanken. So verlief sein junges Leben in den Bahnen und im Geiste des großen Friedrich, Bismarcks, Moltkes, Wilhelms I. und unseres jetzigen Kaisers, Männer, über deren Leben als Leitspruch das herrliche Römerwort steht:,,Patriae inserviendo consumor.“ – „Ich zehre mich auf uim Dienste meines Vaterlandes.“

Die Bedeutung und das Hauptverdienst der achtzig Luftsiege Richthofens nun liegt nicht nur in der hohen Zahl der besiegten Gegner und zerstörten feindlichen Flugzeuge an sich, so peinlich und schmerzlich ihr Verlust auch für unsere Feinde sein mag, sondern vor allem in dem  Beispiel und Vorbild, das er seinen Kameraden vom Fliegerkorps gab, und durch das er sie unwiderstehlich zur Nacheiferung fortriß. Wenn unser Heer jetzt im Kriege die Herrschaft in der Luft behauptet, so ist dies zum nicht geringen Teile Richthofens Verdienst. Und wie wichtig, ja
ausschlaggebend, in der modernen Kriegführung die Beherrschung der Luft ist, wissen wir ja alle. So gebührt auch unserem Richthofen ein voller Anteil an dem Ruhmeskranze, der die Stirn unserer Schlachtenführer und Schlachtensieger ziert. Aber ebenso groß, ja vielleicht noch größer, wichtiger und bleibender als die kriegerischen Sieges- und Ruhmestaten unseres Helden ist die gewaltige Förderung, die er dem gesamten Flugwesen brachte. Er hat durch die Tat bewiesen, wie sicher und verhältnismäßig gefahrlos auch unter den schwierigsten Verhältnissen das Flugzeug sich handhaben läßt, wie zielsicher der von Menschenhand gelenkte „Segler der Lüfte“ seine Bahnen zieht. Darin liegt das Große, Unvergängliche der kurzen, aber erfolgreichen Fliegerlaufbahn Richthofens. In diesem Sinne nennt ihn die Zeitung „Die Ostschweiz“ einen Pionier auf dem Gebiete des Flugwesens, diesem neuen, gewaltigen Gebiete menschlicher Kultur, und stellt ihn neben Zeppelin. Die segensreichen Folgen des Wirkens beider Männer für den Luftverkehr werden erst in Friedenszeiten hervortreten. Nicht unerwähnt bleiben soll, daß unser Held nicht lange vor seinem Tode, wie wenn er ihn vorausgeahnt hätte, ein kurzes Kompendium des Fliegerkampfes verfaßt hat. In ihm hat er seine reichen Erfahrungen im Luftkriege systematisch dargestellt und seinen Kameraden, Schülern und Nachfolgern eine kostbare Fülle von Belehrungen als unschätzbares Vermächtnis hinterlassen.

Was das Bild der Persönlichkeit Manfreds von Richthofen besonders anziehend macht, sind die beiden Tugenden der Schlichtheit und Bescheidenheit, die diesen ruhmbedeckten, furchtbaren Luftkämpfer zierten. Diese Eigenschaften rühmten ihm alle nach, die mit ihm in persönliche Berührung kamen; sie treten auch in seinem Buche „Der rote Kampfflieger” zutage, das zugleich eine ausgesprochene Begabung für fachliche, anschauliche Darstellung zeigt. Auch unsere Kaiserin drahtete über Manfred an seine Eltern: „Ihr Sohn steht mir noch vor Augen in seiner Bescheidenheit und mit seinen schlichten Schilderungen, als ich im Mai vorigen Jahres die Freude hatte, ihn begrüßen zu können.“ Der jugendliche, herrliche Held und Mensch, er ist nicht mehr. Er, der edle, ritterliche Kämpe, starb unbesiegt. Diese Tatsache scheint festzustehen, obwohl sonst ja rätselhaftes Dunkel seinen Tod umhüllt, ein Dunkel, das wir wohl niemals werden völlig aufhellen können und auch nicht aufhellen wollen. Seine Siegfriedgestalt schläft nun in feindlicher Erde den ewigen Schlaf. Groß und echt war die Trauer hier wie in ganz Deutschland, als die Kunde von seinem Heldentode anlangte. Herzliche, ehrende und erhebende Beileidskundgebungen liefen von allen Seiten, von den höchsten und bedeutendsten Persönlichkeiten unseres Volkes bei den Eltern ein. Vielleicht vermag diese all. gemeine Mittrauer des ganzen deutschen Volkes ihren tiefen, gerechten Schmerz etwas zu lindern. Trost gewährt auch die schlichte, fromme Weisheit, die Manfred selbst in seinem Buche mit den Worten ausgesprochen hat: „Nichts geschieht ohne Gottes Fügung. Das ist ein Trost, den man sich in diesem Kriege so oft sagen muß.“ Besonders muß auch ferner seine Angehörigen und uns alle der Gedanke trösten, daß seine Taten und Verdienste unvergänglich sind und unvergessen bleiben werden. Solange in unserem Volkedie Erinnerung an diesen großen und furchtbarsten aller Kriege fortleben wird, solange wird man auch des größten Fliegerhelden Deutschlands dankbar gedenken, unseres Manfred von Richthofen! Seine Taten aber und sein Vorbild werden fortwirken, besonders bei der deutschen Jugend. Und solange sein Heldengeist, der Geist kühnen  Wagemuts, treuer Pflichterfüllung und hingebenden Opfersinnes die Herzen unserer Jugend beseelt und fortreißt, solange wird Deutschland nicht untergehen!

So haben wir denn allen Grund, um unseren Manfred von Richthofen zwar zu trauern; aber wir wollen ihn nicht beklagen, der in der Blüte seiner Jahre und auf dem Gipfel feines Ruhmes von uns ging. Wen Gott liebt, den läßt er in Jugend und Glück sterben! Wir wollen so denken und fühlen, wie es Alfred Wlotzka in seinem Gedicht „Ikaros- Richthofen“ mit folgenden Worten ausspricht: Held Richthofen tot! – Der am herrlichsten flammte, Der Stern stieg zum Sternhimmel, dem er entstammte! Sein Tod ein Verlust? – Gar zu früh ihm zuteil? O, nein! Dessen Glühen solch Leuchttaten melden, Der zeugt im Versprühen gigantische Helden! Heil Richthofen dir! Deinem Vaterland Heil!“ Und so rufe ich denn zum Schlusse seinen Manen zu: Lebe wohl, du tapferer und großer Held, du guter edler Mensch! Wir werden dich nicht vergessen! Der Gegen der
Gerechten bleibt in Ewigkeit! Amen.

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