1 Juli
(UTC+1)
Ereignisse an diesem Tag im Leben von Manfred von Richthofen
Bombenflüge in Rußland

Der rote Kampfflieger von Rittmeister Manfred Freiherrn von Richthofen, 1917, 351.000 - 400.000, Verlag Ullstein & Co, Berlin-Wien p.
„Bombenflüge in Rußland. Juni hieß es plötzlich verladen. Wir wußten nicht, wo es hinging, aber den richtigen Tip hatten wir und waren deshalb nicht übermäßig erstaunt, wie uns unser Kommandeur mit der Neuigkeit überraschte, daß wir nach Rußland gingen. Wir fuhren durch ganz Deutschland mit unserem Wohnzug, aus Speise- und Schlafwagen bestehend, und kamen schließlich nach Kowel. Dort blieben wir in unseren Eisenbahnwagen wohnen. Dieses Wohnen in Zügen hat ja nun natürlich sehr viel Vorteile. Man ist stets fertig, um weiterzureisen, und man hat immer dasselbe Quartier. Aber in der russischen Sommerhitze ist so ein Schlafwagen das Fürchterlichste, was es geben kann. Deshalb zog ich es vor, mit zwei guten Freunden, Gerstenberg und Scheele, in den nahen Wald zu ziehen, wo wir uns ein Zelt aufbauten und wie Zigeuner lebten. Das waren schöne Zeiten. * In Rußland warf unser Kampfgeschwader viel Bomben. Wir beschäftigten uns damit, die Russen zu ärgern, und legten auf ihre schönsten Bahnanlagen unsere Eier. An einem dieser Tage zog unser ganzes Geschwader los, um eine sehr wichtige Bahnhofsanlage zu bewerfen. Das Nest hieß Manjewicze und lag etwa dreißig Kilometer hinter der Front, also nicht so übertrieben weit. Die Russen hatten einen Angriff geplant, und zu diesem Zweck war der Bahnhof ganz ungeheuerlich mit Zügen angefüllt. Ein Zug stand neben dem anderen, eine ganze Strecke war mit fahrenden Zügen belegt. Man konnte das von oben sehr schön sehen; an jeder Ausweichstelle stand ein Transportzug. Also ein wirklich lohnendes Ziel für einen Bombenflug. Man kann sich für alles begeistern. So hatte ich mich mal für eine Weile für dieses Bombenfliegen begeistert. Es machte mir einen unheimlichen Spaß, die Brüder da unten zu bepflastern. Oft zog ich an einem Tage zweimal los. An diesem Tage hatten wir uns also Manjewicze zum Ziele gesteckt. Jede Staffel für sich zog geschlossen gen Rußland. Die Maschinen standen am Start, jeder Flugzeugführer versuchte noch einmal seinen Motor, denn es ist eine peinliche Sache, auf der falschen Partei notzulanden und besonders in Rußland. Der Russe ist auf Flieger wie wild. Kriegt er einen zu fassen, schlägt er ihn ganz bestimmt tot. Das ist auch die einzige Gefahr in Rußland, denn feindliche Flieger gibt es da nicht, oder so gut wie gar nicht. Kommt mal einer vor, so hat er sicherlich Pech und wird abgeschossen. Die Ballonabwehrgeschütze in Rußland sind manchmal ganz gut, aber ihre Zahl nicht ausreichend. Gegen den Westen jedenfalls ist das Fliegen im Osten eine Erholung. * Die Maschinen rollen schwer bis an den Startplatz. Sie sind bis auf ihr letztes Ladegewicht mit Bomben angefüllt. Ich schleppte manchmal einhundertfünfzig Kilogramm Bomben mit einem ganz normalen C-Flugzeug. Außerdem hatte ich noch einen schweren Beobachter mit, dem man die Fleischnot gar nicht ansah, ferner »für den Fall, daß« noch zwei Maschinengewehre. Ich habe sie nie in Rußland ausprobieren können. Es ist sehr schade, daß in meiner Sammlung kein Russe vorhanden ist. An der Wand würde sich seine Kokarde gewiß ganz malerisch machen. So ein Flug mit einer dicken, schwerbeladenen Maschine, besonders in der russischen Mittagsglut, ist nicht von Pappe. Die Kähne schaukeln sehr unangenehm. Runterfallen tun sie natürlich nicht, dafür sorgen die einhundertfünfzig »Pferde«, aber es ist doch kein angenehmes Gefühl, so viel Sprengladung und Benzin bei sich zu haben. Endlich ist man in einer ruhigeren Luftschicht und kommt allmählich zu dem Genuß des Bombenfluges. Es ist schön, geradeaus zu fliegen, ein bestimmtes Ziel zu haben und einen festen Auftrag. Man hat nach einem Bombenwurf das Gefühl: Du hast etwas geleistet, während man manchmal bei einem Jagdflug, wo man keinen abgeschossen [84]hat, sich sagen muß: Du hättest es besser machen können. Ich habe sehr gern Bomben geworfen. Mein Beobachter hatte es sachte sehr ordentlich wegbekommen, das Ziel genau senkrecht zu überfliegen und mit Hilfe eines Zielfernrohres den guten Augenblick abzupassen, um sein Ei zu legen. Es ist ein schöner Flug nach Manjewicze. Ich habe ihn öfters hinter mir. Wir kamen über riesige Waldkomplexe, in denen gewiß die Elche und Luchse herumturnen. Die Dörfer sahen allerdings auch so aus, als ob sich die Füchse darin Gute Nacht sagen könnten. Das einzige größere Dorf in der ganzen Gegend war Manjewicze. Um das Dorf herum waren zahllose Zelte aufgeschlagen und am Bahnhof selbst unzählige Baracken. Rote Kreuze konnten wir nicht erkennen. Vor uns war eine Staffel dagewesen. Dieses konnte man an einzelnen rauchenden Häusern und Baracken noch feststellen. Sie hatte nicht schlecht geworfen. Der eine Ausgang des Bahnhofs war durch einen Treffer offenbar versperrt. Die Lokomotive dampfte noch. Gewiß waren die Herren Zugführer irgendwo in einem Unterstand oder so was Ähnlichem. Auf der anderen Seite fuhr gerade eine Lokomotive mit großer Fahrt heraus. Natürlich reizte einen das, das Ding zu treffen. Wir fliegen das Ding an und setzen einige hundert Meter davor eine Bombe. Der gewünschte Erfolg war da, die Lokomotive blieb stehen. Wir machen kehrt und werfen noch sauber Bombe für Bombe, fein gezielt durch das Zielfernrohr, auf den Bahnhof. Wir haben ja Zeit, es stört uns niemand. Ein feindlicher Flughafen ist zwar ganz in der Nähe, aber seine Piloten sind nicht zu sehen. Abwehrgeschütze knallen nur ganz vereinzelt und in einer ganz anderen Richtung als wir fliegen. Wir heben uns noch eine Bombe auf, um sie besonders nutzbringend beim Nachhauseflug anzuwenden. Da sehen wir, wie ein feindlicher Flieger auf seinem Hafen startet. Ob er sich wohl mit dem Gedanken trägt, uns anzugreifen? Ich glaube es nicht. Viel eher sucht er Sicherheit in der Luft, denn das ist bei Bombenflügen auf Flughäfen ganz gewiß das bequemste, sich der persönlichen Lebensgefahr zu entziehen. Wir machen noch einige Umwege und suchen Truppenlager, denn das macht besonderen Spaß, die Herren da unten mit Maschinengewehren zu beunruhigen. Solche halbwilden Völkerstämme wie die Asiaten haben noch viel mehr Angst als die gebildeten Engländer. Besonders interessant ist es, auf feindliche Kavallerie zu schießen. Es bringt ungeheure Unruhe unter die Leute. Man sieht sie mit einem Male nach allen Himmelsrichtungen davonsausen. Ich möchte nicht Schwadronschef von so einer Kosakeneskadron sein, die von Fliegern mit Maschinengewehren beschossen [86]wird. Allmählich konnten wir wieder unsere Linien sehen. Nun wurde es Zeit, daß wir unsere letzte Bombe loswurden. Wir beschlossen, einen Fesselballon, »den« Fesselballon der Russen, mit einer Bombe zu bedenken. Wir konnten ganz gemütlich auf wenige hundert Meter heruntergehen und den Fesselballon bewerfen. Anfangs wurde er mit großer Hast eingezogen, wie aber die Bombe gefallen war, hörte das Einziehen auf. Ich erklärte es mir dadurch, nicht etwa, daß ich getroffen hatte, sondern eher, daß die Russen ihren Hetman da oben in dem Korb im Stich ließen und weggelaufen waren. Wir erreichten schließlich unsere Front, unsere Gräben und waren, als wir zu Hause ankamen, doch etwas erstaunt, wie wir feststellten, daß man uns von unten doch beschossen hatte, wenigstens zeigte dies ein Treffer in der Tragfläche. * Ein andermal waren wir gleichfalls etwa in derselben Gegend auf einen Angriff der Russen angesetzt, die den Stochod zu überschreiten beabsichtigten. Wir kamen an die gefährdete Stelle, mit Bomben beladen und sehr viel Patronen fürs Maschinengewehr, und da sahen wir zu unserer großen Überraschung, wie bereits der Stochod von feindlicher Kavallerie überschritten wird. Eine einzige Brücke diente zum Nachschub. Also war es klar: Trifft man diese, so kann man dem Feind ungeheuer schaden. Außerdem wälzten sich über den schmalen Steg dicke Truppenmassen. Wir gingen auf möglichst niedrige Höhe hinunter und konnten nun genau erkennen, daß die feindliche Kavallerie in großer Geschwindigkeit über den Übergang marschierte. Die erste Bombe krachte nicht weit von ihr, die zweite, dritte folgte unmittelbar darauf. Unten entsteht eine wüste Unordnung. Die Brücke ist zwar nicht getroffen, aber nichtsdestotrotz hat der Verkehr vollständig aufgehört, und alles, was Beine hat, ist nach allen Himmelsrichtungen davon. Der Erfolg war gut, denn das waren nur drei Bomben; es kam ja noch das ganze Geschwader hinterher. Und so konnten wir noch manches erreichen. Mein Beobachter schoß feste mit dem Maschinengewehr unter die Brüder, und wir hatten einen wilden Spaß daran. Was unser positiver Erfolg war, kann ich natürlich nicht sagen. Die Russen haben es mir auch nicht erzählt. Aber eingebildet habe ich mir, daß ich den russischen Angriff allein abgeschlagen habe. Ob es stimmt, wird die Kriegschronik der Russen nach dem Kriege mir wohl mitteilen.“
MvR und Kurt Wolff nehmen an Allmenröders Trauerfeier vor seiner Versetzung nach Solingen-Wald teil.

Provinciaal Archief Karmelieten Gent (België) p.
Allmenröder wurde am 27. Juni 1917 abgeschossen und fiel im Kampf. Bevor Allmenröders Leichnam zu seiner letzten Ruhestätte in Solingen-Wald, Deutschland, überführt wurde, wurde eine Trauerfeier organisiert.
MvR ruft Bodenschatz an

Jagd in Flanderns Himmel, Karl Bodenschatz, Verlag Knorr & Hirth München, 1935 p. 11
„Ende Juni des Jahres 1917 platzte eine Ordonnanz aufgeregt in die Suppe, die den Herren der Jagdstaffel Boelcke soeben auf den Tisch gestellt wurde, in einem Schloß in der Nähe von Cambrai.
„Mit der Ruhe“, sagte der Adjutant mißbilligend. „Was ist los?“ „Herr Oberleutnant Bodenschatz wird von Herrn Rittmeister von Richthofen am Telephon gewünscht!“ schmetterte die Ordonnanz feierlich in das Zimmer.
„Ich?“ fragte der Adjutant verwundert, rückte den Stuhl zurück und unter dem neugierigen Schweigen der Herren verließ er den Raum.
„Guten Morgen, Bodenschatz!“ vernahm er am Telephone. „Hier ist Richthofen. Ich bin eben zum Kommandeur eines Jagdgeschwaders ernannt worden. Ich brauche einen Adjutanten. Wollen Sie?“
„Selbstverständlich. Ich bin morgen früh da. Wo ist das?“
„Freu mich, Bodenschatz. Marckebeeke bei Courtrai. Wiedersehen.“
Langsam wanderte der Adjutant durch den langen Korridor. Er ging nicht sofort zum Essen zurück, sondern blieb an einem Fenster stehen und starrte hinaus. Das war eines der schönsten Telephongespräche gewesen, das er in seinem an Telephongesprächen reichen Adjutantenleben geführt hatte. Er fand es liebenswürdig von Richthofen, daß er ihn nicht vergessen hatte. Bodenschatz erinnerte sich an die Zeit vor einem Jahr, als er zum Adjutanten des Hauptmanns Boelcke ernannt worden war. Er trat damals diese Ernennung unter tragischen Umständen an. Als er auf dem Flugplatz eintraf, empfing ihn die Nachricht, daß Boelcke am gleichen Morgen gefallen sei. Und die erste Tätigkeit des neuen Adjutanten war, seinen toten Staffelführer in die Heimat zu begleiten. Nach seiner Rückkehr zur Staffel blieb nicht lange Zeit, über diesen unersetzlichen Verlust nachzugrübeln, denn es wehte ein scharfer Wind, und der heroische Geist des toten Führers loderte in den jungen Fliegern seiner Staffel weiter. Da waren Jagdflieger mit berühmten Namen: Böhme, Kirmeier, Müller und ein junger Ulanenleutnant Manfred Freiherr von Richthofen. Mit dem Ulanen freundete sich der Adjutant sehr bald an und als jener im Herbst 1916 die Führung der Jagdstaffel 11 erhielt, empfand der Oberleutnant Bodenschatz die Trennung von ihm bitter.
Großartig von Richthofen, dieser Anruf jetzt, und der Adjutant machte sich auf den Weg zum Essen, um die Neuigkeit den Kameraden mitzuteilen.
(…)
Auf die fragenden Blicke seiner Kameraden antwortete der Oberleutnant: „Morgen früh bin ich hier verschwunden. Adjutant von Richthofen.“ Ein Glückwunschgebrüll tofte über den Tisch. Und jedermann verstand es gut, daß der Oberleutnant sich nicht mehr lange mit Essen aufhielt, sondern nach einigen Bissen mit gemurmelten Entschuldigungen verschwand.“
Jasta 11 Gruppenfoto-Sitzung

Marke 2 Wereldoorlog 1 p.
Arnold Busch zeichnet MvR

Marke 2 Wereldoorlog 1 p. 251
„Prof. Arnold Busch zeichnet MvR im Feld“.