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Elchjagd

Event ID: 633

29 September 1917

54.836678189212584, 21.32676369787914
Forst Neu-Sternberg
Neu-Sternberg

Source ID: 55

Ein Heldenleben, Ullstein & Co, 1920

Nur wenigen Sterblichen ist vergönnt, eines dieser Tiere zur Strecke zu bringen. Zu diesen Wenigen zähle ich mich nun auch.

Es ist eine sehr bedauerliche Tatsache, daß dieses seltene Wild nun langsam, aber sicher ausstirbt. Der Elch ist wie der Wisent gleichfalls ein Überrest aus vergangenen Zeiten. Wie er vor mir auf der Strecke lag, kam mir doch das Gefühl, ein vorfintflutliches Etwas vor mir zu haben. Leider wurden in vergangenen Jahren, etwas vor einem Jahrzehnt, die Überreste in Ostpreußen beinahe ausgerottet. Gott sei Dank hat man das Abschlachten noch einmal einhalten können. So existiert der Elch im ganzen Deutschen Reich nur noch in der Gegend van Labiau in Ostpreußen. Er ist viel größer als ein Pferd und lebt in sumpfigen Riesenwäldern, in denen sich die Füchse “Gute Nacht” sagen.

Durch die Liebenswürdigkeit des Forstmeisters Mohnike war ich zum Abschuß eines starken Elches eingeladen worden. Fünf Tage pirschte ich bereits von morgens bis in die Dunkelheit mit einem Wagen kreuz und quer durch das Riesenrevier Neu-Sternberg. Mein Urlaub war knapp bemessen, und ich glaubte schon, unerledigter Dinge wieder abdampfen zu müssen, als uns am sechsten Tage gemeldet wurde, daß ein starker Elch im Jagen einhundertundfünfundsechzig gespürt sei. Sofort spannten wir an und fuhren so schnell wie möglich hin. Bald waren wir von dem bezeichneten Jagen nur noch drei Kilometer entfernt und fuhren in scharfen Trab eine Schneife entlang, da plötzlich reißt der tüchtige Rußti als Rutscher die Pferde kurz an, und vor uns steht auf fünfhundert Schritt der Elch! Aber nur für einen Augenblick, sofort war er rechts im Dickicht verschwunden. Nun galt es Glück haben, um dem Hirsch auf Schußweite zu begegnen. Absteigen und pirschen verträgt er nicht, also mußten wir versuchen, mit dem Wagen näher heranzukommen. Bald befand ich mich an der Stelle, wo wir ihn eben gesehen hatten, aber das Dickicht erlaubte mir keinen Einblick weiter als vierzig Schritt rechts und links. Guter Rat war nun teuer. Hundert Meter weiter kam eine schmale Schneife. Dort wollten wir umdrehen, um nochmals an der Stelle vorbeizufahren, an der wir den Hirsch gesehen hatten. Der Wagen dreht sich gerade um seine eigene Achse, da tritt der Elch auf hundert Schritt auf die Querschneife. Nun erkannte ich, daß ich einen recht starken Hirsch vor mir hatte, zwar keinen Schaufler, aber er machte mit seiner mächtigen Figur und seinem langen Bart, der im Winde hin- und herwehte, einen kloßigen Eindruck, eben wie ihn nur ein vorfintflutliches Tier machen kann. Er stand schön breit auf der Schneife. Das Riesentier vorbeischießen ist eigentlich kaum möglich! Aber die Aufregung, nach einer sechstägigen Pirschfahrt plötzlich unerwartet vor einem jagdbaren Hirsch zu stehen, ist doch größer, als ich gedacht hatte. Zu meinem größten Erstaunen zeichnete der Hirsch auf meinen Schuß überhaupt nicht. Im Stillen sagte ich mir: “Vorbeigehauen.” Er machte nur eine langsame Kehrtbewegung und ließ mir Zeit, den zweiten Schuß anzubringen. Bei einem Rothirsch wäre dies unmöglich gewesen, obwohl man ja in der Brunstzeit so manches mit ihm erleben kann. Aber bei diesem Tier hat man doch den Eindruck, daß es den Menschen gar nicht als seinen Feind betrachtet und überhaupt der Kultur nicht mehr Widerstand zu leisten vermag.

Es war eine Nachsuche nötig, die in dem Sumpf nicht ganz einfach war. Der Hirsch hatte beide Kugeln, man mußte ihm aber noch den Fangschuß geben. Nun erst, als er zur Strecke war, konnte ich mir den Koloß in Ruhe betrachten. Es war für dortige Verhältnisse ein großer, starker Achter, und ich war sehr beglückt. Ich möchte diese Jagd auf einen Elch in meinem Leben nicht vermißt haben und bin meinem Jagdherrn sehr dankbar.

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