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Täglichen Rundschau

Event ID: 661

23 April 1918

49.97323642687367, 2.2927864127167634
Bertangles

Source ID: 55

Ein Heldenleben, Ullstein & Co, 1920

Kriegsberichterstatter Scheuermann schreibt in der „Täglichen Rundschau“:

Beim Kampfgeschwader Richthofen, 23. April

Richthofen war am Sonntagvormittag mit vier Flugzeugen seiner Staffel zu einem Feindflug gestartet. Von diesen waren zwei mit bewährten Kampffliegern besetzt, dem Leutnant Wolff und dem Vizefeldwebel Scholtz. In den beiden anderen flogen Oberleutnant Karjus, der, nachdem
er trotz des 1914 erlittenen Verlustes der rechten Hand sich jahrelang als hervorragender Beobachter aus. gezeichnet hat, begonnen hat, zur Kampffliegerei überzugehen, und Leutnant von Richthofen, ein junger Vetter des Rittmeisters. In der Gegend von Hamel wurden Leutnant Wolff und Oberleutnant Karjus in einen Kampf gegen sieben englische Sopwith-Camels verwickelt. Diesen eilten sieben weitere Sopwith-Camels zu Hilfe, während gleichzeitig eine deutsche Albatros-Staffel aus der Höhe von Sailly-le-Sec herbeistieß. Ein Teil der Engländer wich den Albatrossen aus, von diesen verfolgt. Wolff und Karjus blieben in ein Nahgefecht mit drei bis vier Sopwith-Camels verwickelt, als ganz plötzlich Richthofens rote Maschine vorbeistrich und einen der Feinde im steilen Sturzflug zur Erde drückte. Inzwischen schoß Leutnant Wolff einen der übrigen Gegner, seinen neunten, brennend ab. Als er ihm nachschaute, beobachtete er noch, wie Richthofen seinen Gegner, ganz tief liegend, nach Westen, der Somme zu, verfolgte. Im nächsten Augenblick war Leutnant Wolff in einen Zweikampf mit einem sehr gewandten Gegner verwickelt. Nach mehrfachem Kugelwechsel hatte dieser wohl eine Ladehemmung, auch eine Anzahl Treffer im Apparat, so daß er sich zurückzog. Dann stellte er mit Beruhigung fest, daß Richthofens Apparat in der Richtung von Hamel verschwunden war.

Auf dem Heimweg war er nebst anderen deutschen Fliegern genötigt, ein ihnen begegnendes englisches Geschwader zu verfolgen. Als sie dann im Heimathafen eintrafen, war schon eine Anzahl übereinstimmender Beobachtungen aus Flugzeugen und von Artilleriebeobachtern gemeldet, welche ergaben, daß Richthofen seinen Gegner, den er bei scharfem Ostwind gegen seine sonstige Gewohnheit etwa acht Kilometer hinter die feindlichen Linien verfolgt hatte, zur Strecke gebracht und daß er dann versucht hatte, seinen Apparat wieder in die Höhe zu bringen. Doch hatte dieser sich alsbald wieder infolge einer Verletzung des Steuers oder eines Motordefektes geneigt, und Richthofen hatte die Maschine auf feindlichem Boden in glattem, wenn auch steilem Gleitflug unversehrt aufgesetzt. Man nahm allgemein an, daß der Siegfried der Luft unverwundet in englische Gefangenschaft gefallen sei, denn ein Verwundeter hätte den schweren Dreidecker gar nicht so sicher landen können. Erst der feindliche Funkspruch brachte die allenthalben an der Front mit großer Erregung aufgenommene und nicht geglaubte Mitteilung vom Tode des Helden. Inzwischen hat sich das Gerücht verbreitet, welches hier überall umläuft, ohne daß ich die Quelle nenne, daß die Australier, in deren Divisionsabschnitt das Flugzeug niederging, Richthofen nach Verlassen seines Apparates erschlagen hätten. Die Stelle, wo sein ruhmgekröntes Leben ein Ende gefunden hat, befindet sich nördlich von Corbie auf einem flachen Hügel in der Gegend, wo die Ancre in die Somme mündet. Richthofen hatte, wie stets zu seinen Flügen, seine Papiere mitgenommen. Diesmal trug er gegen seine
Gewohnheit auch nicht den Orden Pour le mérite, den er sonst unter seinen Pelz zu knüpfen pflegte. Aber der Feind kannte seinen Dreidecker, den er seit Beginn der großen Schlacht wieder wie früher ganz rot angestrichen hatte und dessen Erscheinen bei unserer Infanterie und unseren Kolonnen stets hellen Jubel auslöste, wie es den Feind mit Schrecken erfüllte. In würdiger Fassung hat der alte Vater des Helden die Nachricht aufgenommen und aus Flandern, wo er eine Ortskommandantur bekleidete, dem Jagdgeschwader, das den Namen Richthofen weiterführt, gedrahtet, daß er wünsche, der Geist seines Sohnes möge in seinen überlebenden Mitkämpfern lebendig bleiben.

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