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Andre Tudesq – Sonderberichterstatter

Event ID: 657

23 April 1918

49.97323642687367, 2.2927864127167634
Bertangles

Source ID: 55

Ein Heldenleben, Ullstein & Co, 1920

Andre Tudesq, Sonderberichterstatter des Pariser „Journal“ über die Beisetzung Richthofens

Vor der Beisetzung wollten wir die sterbliche Hülle des Rittmeisters von Richthofen noch einmal auf seinem Totenbette grüßen. Er ruhte unter einem hohen, tiefen Zelt. Nichts war in dem Raum mit den im Winde flatternden Leinenwänden als in der Mitte ein Stapel von Kisten, auf dem die Leiche aufgebahrt war. Der schwache Lichtstrahl, der sich durch die Zeltöffnung stahl, beleuchtete seinen mächtigen Athletenkörper und sein scharf geschnittenes Gesicht. Auf fünf Uhr war die Beerdigung angesetzt, die selbstverständlich unter militärischen Ehren vor sich ging. Wir waren pünktlich zur Stelle. Ein Wachtkommando von zwölf Mann bildete Spalier und präsentierte das Gewehr. Sechs englische Fliegeroffiziere, alle sechs hervorragende Geschwaderführer, hoben den Sarg auf ihre Schultern und trugen ihn, zwischen dem Soldatenspalier hindurchschreitend, zu dem Lastauto, einem sogenannten Schlepper, der sich langsam in Bewegung feste. Der anglikanische Geistliche war vorausgegangen. Das Chorhemd über der mit dem englischen Kriegskreuz geschmückten Khakiuniform, erwartete er den Zug am Eingang des Kirchhofes. Hinter dem Leichenwagen marschierten die zwölf Mann der Trauerparade, die Augen zu Boden gesenkt und die Flinte mit nach unten gerichtetem Lauf unter dem Arm. Fünfzig Flieger, Offiziere und Unteroffiziere, bildeten das Trauergeleit. Aus den südlich gelegenen Standorten waren vier Flieger herbeigeeilt, um dem tapferen und vornehmen. Feinde die letzte Ehre zu erweisen. Auf dem Sarge lagen fünf gewaltige, aus Immortellen gewundene und mit den deutschen Farben gebundene Kränze. Der eine war von dem Hauptquartier der britischen Luftstreitkräfte gesandt, die anderen kamen von benachbarten Flugplätzen. Alle trugen die gleiche Inschrift: ,,Dem Rittmeister von Richthofen, dem tapferen und würdigen Feinde.“ Nachdem der Geistliche die Totengebete gesprochen, feuerte die Trauerparade die drei Ehrensalven
über das Grab. Auf den Sarg wurde ein Aluminiumschild genagelt, das in deutscher und englischer Sprache die Inschrift trug: „Hier ruht Rittmeister Manfred Freiherr von Richthofen, auf dem Felde der Ehre mit 25 Jahren im Luftkampf am 21. April 1918 gefallen.“ Flugzeuge mit der
dreifarbigen Kokarde kreisten über unseren Köpfen, um dann zu neuen Kämpfen hinauszuziehen. Der junge Held sank langsam in sein Grab. Dumpf polterten die Erdschollen auf den Sarg. Er ruht nicht weit von Amiens in einem kleinen, vom Winde gepeitschten Grabe. Eine  Weißdornhecke wirft ihren Blütenschatten auf die letzte Ruhestätte eines Königs der Lüfte.

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